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Unsere Kollegin Kerstin Eitner, die Sie sonst an dieser Stelle auf unnachahmliche Weise durch das Wochengeschehen führt, weilt noch im wohl verdienten Urlaub.

Wahrscheinlich würde auch die Erde gerade gern mal ein paar Tage Pause machen. Von uns. Der „Earth Overshoot Day“, der den Tag des Jahres markiert, ab dem die Menschheit mehr natürliche Ressourcen verschlingt, als die Erde binnen eines Jahres zur Verfügung stellen kann, liegt gerade hinter uns. Er fiel in diesem Jahr auf den 2. August. Würden alle so leben wie wir in Deutschland, wäre dieser Tag bereits am 2. Mai erreicht worden. Ich frage mich, warum die FDP, immerhin die Partei, die in Deutschland Anfang der Siebzigerjahre eine wegweisende, leider recht bald wieder vergessene Umweltpolitik entwickelte, nicht auch mal auf diesem Gebiet eine „Schuldenbremse“ einfordert. Denn anders als Ausgaben für Kinder, Bildung, die Energie- und Mobilitätswende, sind die Schulden, die wir heute bei der Erde machen, keine Investitionen in eine lebenswertere Zukunft, sondern das genaue Gegenteil.

Um im Vergleich zu bleiben: Sparen sollten wir nicht beim dringend überfälligen Ausbau der Bahn oder bei der Ausstattung von Schulen und Kindertagesstätten. Nein, Sparsamkeit wäre dringend geboten beim Verbrauch von Energie und Rohstoffen, vor allem in der deutschen Industrie, die immer noch so verschwenderisch wirtschaftet als gäbe es kein Morgen mehr. Was dann ja auch irgendwann mal stimmt. 

Wenn es jetzt irgendwo in Ihrem Hinterkopf leise klingelt – da war doch was? –, täuscht Sie Ihr Gedächtnis nicht. Als mit dem russischen Überfall auf die Ukraine einige nervöse Wochen lang auf einmal die deutsche Energieversorgung gefährdet schien, versäumte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck keine Rede, um auch von den Unternehmen Sparsamkeit beim Verbrauch und eine deutlich ressourcenschonendere Produktion einzufordern. Ein entsprechendes „Energieeffizienzgesetz“, zu dem unsere Regierung übrigens allein schon durch EU-Auflagen verpflichtet ist, wurde fortan mindestens so häufig angekündigt wie der Wiederaufstieg des HSV in die Erste Bundesliga. Und ähnlich wie bei meinem Lieblingsverein seit Kindertagen – so etwas kann man leider nicht mehr ändern – kommt halt immer irgendwas dazwischen. Vergangenen Winter sollte das Gesetz, das deutsche Behörden und Unternehmen zu strengem Umwelt- und Energiemanagement verpflichtet, endlich vorgelegt werden. Dann bis spätestens bis zum Frühling. Auf jeden Fall ganz bald.

Nun war es tatsächlich soweit und in der letzten Bundestagssitzung vor der Sommerpause am 7. Juli stand das zur Abstimmung, was vom Energieeffizienzgesetz noch übrig geblieben war. Denn nach „eindringlichen Gesprächen mit mit Abgeordneten und dem Ministerium“, wie der Bund der deutschen Industrie es zurückhaltend formulierte, war die Pflicht für Großverbraucher, binnen zwei Jahren in wirksame Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren, vom Tisch. Auch die eigentlich sinnvolle Zwangsnutzung industrieller Abwärme, konnten die deutschen Unternehmen mannhaft abwehren. Und „Verbrauchsbegrenzungen“ für einzelne Betriebe, was die christdemokratische Ludwig-Erhardt-Stiftung bereits vorsorglich als „Klimaplanwirtschaft“ geschmäht hatte, standen nach weiteren intensiven Diskussionen mit den Lobbyisten ebenfalls nicht mehr im Gesetz. Doch nicht einmal die traurige Parodie eines „Energieeffizienzgesetzes“ schaffte die Hürde. Ausgerechnet die AfD, der die ganze Richtung ohnehin nicht passt, ließ die Beschlussunfähigkeit des Hauses feststellen, als die meisten Abgeordneten längst in die Sommerferien verschwunden waren. Den Fraktionen der Ampelkoalition ist das Energiesparen mittlerweile offenbar so egal geworden, dass sie sich die Abstimmung darüber auf diese Weise gleich ganz gespart hat. Fürs erste jedenfalls. Wir haben ja Zeit.

Woran Menschen auch in diesen komplizierten Zeiten hingegen wirklich niemals sparen sollten, sind Bekundungen der Liebe. Ein kleiner Zettel am Morgen, eine liebevolle Nachricht zwischendurch, eine Umarmung, ein kurzer Anruf – wir können das, glaube ich, alle gerade vielleicht noch ein bisschen mehr gebrauchen als sonst. Dass es in dieser Hinsicht kein Zuviel geben kann, hat kürzlich der amerikanische Farmer Lee Wilson aus Pratt im US-Bundesstaat Kansas eindrucksvoll demonstriert. Mit Hilfe seines Sohnes hatte er im Mai heimlich auf einem 32 Hektar großen Feld Sonnenblumen ausgesät. Als Geschenk zum goldenen Hochzeitstag blühen dort jetzt 1,2 Millionen prachtvolle Blumen als Zeichen der Liebe zu seiner überglücklichen Frau Renee. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein sonniges und besonders liebevolles Wochenende!

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Unser Redakteur Fred Grimm fragt sich, was eigentlich aus den Energiesparplänen wurde
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Fred Grimm
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