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Moskau (dpa) - Russlands wichtigste Menschenrechtsorganisationen haben am Donnerstag vor massiven neuen Angriffen auf freiheitliche Grundrechte gewarnt. Im Parlament sei ein ganzes Paket an Gesetzesvorhaben eingebracht worden, das «praktisch auf die totale staatliche Kontrolle der russischen Zivilgesellschaft» ziele. Die Warnungen werden getragen von Organisationen wie Memorial, der Moskauer Helsinki-Gruppe und dem Sacharow-Zentrum.

Kurz vor Beginn einer Pressekonferenz begann die Staatsanwaltschaft bei Memorial in Moskau mit einer Razzia. Memorial-Chef Oleg Orlow beklagte, dass die Staatsanwälte unter Missachtung der strengen Corona-Vorschriften ohne Ankündigung mit der Überprüfung von Dokumenten begonnen hätten.

Die Menschenrechtler beklagten wachsenden Druck. So sollten durch neue Initiativen kremltreuer Abgeordneter die Rechte auf Versammlungsfreiheit und freien Zugang zu Bildung beschnitten werden. «Im Grunde will der Staat künftig vorschreiben, was an Wissen konsumiert werden darf - zum Beispiel welcher geschichtliche Standpunkt richtig ist», sagte der Direktor des Sacharow-Zentrums, Sergej Lukaschewski. «Das ist Zensur.»

Vorgesehen ist auch eine deutlich breitere Anwendung der umstrittenen Bezeichnung «ausländischer Agent». Bisher sind davon vor allem Organisationen betroffen, die mit Geld aus dem Ausland finanziert werden. Künftig sollen auch Politiker und Journalisten als «ausländische Agenten» eingestuft werden können. Sie sollen dann zum Beispiel nicht mehr an Wahlen teilnehmen dürfen.

Damit bereitet sich die Kremlpartei Geeintes Russland nach Einschätzung von Experten darauf vor, bei der Parlamentswahl im nächsten Jahr die Opposition zu behindern. Die Menschenrechtler warnten: «Beamte erhalten damit das «gesetzliche» Recht, jede Initiative zu verbieten, die ihnen kritisch oder nicht ausreichend linientreu vorkommt.»

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20201203T161700+0100bdt0489
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