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Inmitten der Sorgen um Energieknappheit in Europa muss Frankreich auf einige seiner Atommeiler verzichten. Auch aus Deutschland blickt man aufs Nachbarland und kommt zu unterschiedlichen Schlüssen. Steckt das Nachbarland in einer Energiekrise?

Paris (dpa) - Die deutsche Debatte über einen Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke nach dem geplanten Atomausstieg läuft angesichts des Krieges in der Ukraine und Sorgen vor Energieknappheit heiß. Immer wieder fällt der Blick dabei auch auf Frankreich. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht das Nachbarland mit einem Bein in einer Stromkrise, die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen verweist auf Meilerausfälle aufgrund von Problemen bei der Kühlung. Wie ist es also um das Atomland Frankreich und dessen Energieversorgung bestellt?

Reihenweise Meiler nicht im Betrieb

Mehr als die Hälfte der französischen Atomreaktoren läuft derzeit nicht. Wie eine Sprecherin des Energiekonzerns EDF der Deutschen Presse-Agentur sagte, sind aktuell nur 27 der 56 Meiler verfügbar. Bedingt sei das durch umfangreiche geplante und vorübergehende Instandhaltungsarbeiten, von denen wegen der Corona-Pandemie zuvor einige verschoben werden mussten. Zudem seien auch Meiler außer Betrieb, weil dort Untersuchungen zur Bildung von Rissen laufen, nachdem der Konzern zu Jahresbeginn teils Mängel festgestellt hatte.

Von Kühlungsproblemen berichtete die Konzernsprecherin hingegen nicht. Die Kraftwerke pumpen Wasser zur Kühlung und stoßen dieses später wieder aus. Je nach Werk darf das Wasser, das wieder in die Natur zurückgeführt wird, eine bestimmte Temperatur nicht übersteigen. Wegen der Hitzewelle in Teilen Frankreichs gab es zuletzt aber vereinzelt vorübergehende Ausnahmeregelungen, die eine etwas höhere Wassertemperatur erlaubten.

Energieministerin Agnès Pannier-Runacher sagte dem Sender LCI am Mittwoch, 18 Meiler sollten in den kommenden Wochen wieder hochgefahren werden.

Auswirkungen auf die Stromproduktion

Laut EDF ist es zwar normal, dass einige Meiler zeitweise keinen Strom produzieren. Der Konzern senkte zu Jahresbeginn angesichts der zusätzlichen zeitweisen Schließungen aber seine Prognose und rechnet seitdem mit 295 bis 315 Terawattstunden produzierten Stroms statt mit 300 bis 330.

Bereits jetzt macht sich der stilliegende Betrieb einiger Reaktoren bemerkbar. Laut einer Veröffentlichung des französischen Energieministeriums wurde im ersten Trimester dieses Jahres 7,5 Prozent weniger Atomstrom produziert - weil so wenige Meiler verfügbar waren. Auch die Stromimporte nach Frankreich seien «beachtlicher» geworden, hieß es vom Ministerium.

Importe aus und nach Deutschland

Frankreich und Deutschland importieren beide Strom voneinander. Wie aus Daten der Übertragungsnetzbetreiber hervorgeht, importierte Deutschland zwischen April und Juni circa 1,7 Terawattstunden Strom aus Frankreich. Das entspricht etwa 1,5 Prozent des Stromverbrauchs in diesen Monaten. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 war der Nettoexport nach Frankreich, also die exportierte Menge abzüglich des Imports, in diesem Jahr mehr als fünf Mal höher, hieß es in einer Veröffentlichung der Bundesnetzagentur.

Den Daten zufolge gab Deutschland im Juni mehr Strom nach Frankreich ab als es aus dem Nachbarland holte. In den beiden vergangenen Jahren war es im Juni den Daten zufolge jeweils andersherum. Damals hatte Frankreich mehr Strom nach Deutschland exportiert als Deutschland nach Frankreich. Für die Wintermonate fällt auf, dass Frankreich zuletzt mehr Strom aus Deutschland eingeführt hat als im Vorjahr.

Energiesituation in Frankreich

Laut Energieministerium blieben die höheren Stromimporte nach Frankreich dennoch deutlich hinter den Einfuhren von Gas und Öl zurück. Die letzten vom Ministerium verfügbaren Daten vom Mai zeigten nicht, dass bedeutend mehr Energie ins Land gebracht worden sei als sonst. Pannier-Runacher verwies zudem darauf, dass Frankreich beim Füllen der Gasspeicher vor dem Zeitplan liege. Mittlerweile seien sie zu 75 Prozent gefüllt. Zum November sollen sie dann ganz voll sein.

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