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Während der Corona-Lockdowns haben die Menschen in Deutschland deutlich weniger konsumiert als zuvor. Wohin das nicht ausgegebene Geld geflossen ist, weiß das Statistische Bundesamt.

Wiesbaden (dpa) - In der Corona-Krise ist der private Konsum in Deutschland so stark zurückgegangen wie seit 50 Jahren nicht mehr. Die Haushalte gaben im vergangenen Jahr für Waren und Dienstleistungen 4,6 Prozent weniger Geld aus als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag berichtete. Das war der stärkste Rückgang seit 1970 und unterscheidet sich fundamental vom Verbraucherverhalten in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Damals hatte der private Konsum die deutsche Volkswirtschaft gestützt und zur schnellen Erholung beigetragen.

Bereinigt um die Preisentwicklung betrug das Minus zum Vorjahr sogar 5,0 Prozent. Die Gründe für die Einbußen liegen auf der Hand: In der Pandemie waren viele Geschäfte über Monate geschlossen, Urlaube wurden abgesagt, und etliche Dienstleistungen insbesondere rund um die Mobilität waren kaum gefragt. Es gab für die Menschen schlicht weniger Möglichkeiten, ihr Geld auszugeben.

Die Leute haben das Geld auf die hohe Kante gelegt, weiß der Chef-Volkswirt der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, Thomas Mayer, denn das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte sei unter anderem wegen des Kurzarbeitergelds sogar noch etwas gestiegen. Laut Bundesamt explodierte die Sparquote um 50,3 Prozent auf knapp 16 Prozent des verfügbaren Einkommens.

Ökonom Mayer erwartet in der Folge einen Nachfrage- und Preisschub mit entsprechender Inflationsgefahr. «Wenn die Pandemie schließlich abebbt, werden die Geldersparnisse in den Konsum fließen. Mit den Konsumausgaben dürften auch die Preise steigen. Höhere Inflation könnte dann die Lohnrunde 2022 beeinflussen, und es könnte zu einer Preis-Lohn-Preis Spirale kommen, wie wir sie zuletzt in den 1970er-Jahren gesehen haben.» Mayer zweifelt daran, dass die Europäische Zentralbank in diesem Fall wirkungsvoll gegenhalten könnte, etwa mit dem Verkauf ihrer Anleihen oder höheren Leitzinsen.

Deutlich ist an den Statistiken abzulesen, welche Branchen besonders heftig unter den Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr und ab November gelitten haben. So gaben die Leute in dem Jahr 33,2 Prozent weniger für Hotel- und Gaststättenbesuche aus. Auch für Bahn-, Flugzeug- und ÖPNV-Tickets sanken die Ausgaben um ein gutes Drittel. In den Innenstädten litten vor allem die Händler von Schuhen und Bekleidung unter einem Rückgang von 14,5 Prozent der Ausgaben.

Für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke gaben die Menschen mehr Geld aus, weil sie einfach häufiger zuhause waren. Im Gesamtjahr stieg dieser Posten um 6,3 Prozent. Mit einem Anstieg um 3,0 Prozent für alkoholische Getränke hielt sich hingegen der befürchtete «Corona-Suff» bei gleichzeitig über Monate geschlossenen Bars und Kneipen noch in Grenzen.

Im zweiten Halbjahr wuchs aber laut Statistik auch die Bereitschaft der Bürger für langfristige Anschaffungen. Dazu zählen beispielsweise Autos, Möbel oder größere Elektrogeräte. Nach einem Rückgang um 8,5 Prozent in der ersten Jahreshälfte für langfristige Gebrauchsgüter wurden im zweiten Halbjahr 7,8 Prozent mehr ausgegeben als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Hier dürfte auch die vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte eine Rolle gespielt haben, vermuten die Statistiker. Allerdings fiel der Schub deutlich schwächer aus als im Jahr 2009, als mit einer Abwrackprämie besonders der Autokauf angeheizt wurde.

Der Online-Handel habe die Schließung der lokalen Geschäfte nicht vollständig ausgleichen können, sagt der Chef-Volkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Er verweist auf die Verantwortlichkeit der Politik: «Die Zahlen der Wiesbadener Statistiker machen noch einmal klar, dass die deutsche Konjunktur mit der Lockerung der Corona-Beschränkungen steht und fällt. Es wird darauf ankommen, wie die Politiker aus Bund und Ländern die zuletzt gestiegenen Infektionszahlen interpretieren.»

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