Der Green Deal welkt dahin

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es war einmal – so lange ist das noch gar nicht her – ein European Green Deal, der perspektivisch ein kräftig grün leuchtendes Europa versprach: keine Verbrenner mehr, eine weltumspannend umwelt- und menschenfreundliche Produktion und sogar, man rieb sich die Augen, eine deutlich klimafreundlichere Landwirtschaft. „Mann-auf-dem-Mond-Moment“, Klimaneutralität bis 2050 pipapo. Wissen Sie noch?

Das zunächst so frühlingshaft daherkommende Grün büßt zurzeit einiges an Leuchtkraft ein und kommt nun eher matt daher. Das für 2035 angepeilte Verbrenner-Aus steht zwar offiziell noch nicht zur Disposition, aber aus dem Off sind schon leise Sägegeräusche zu vernehmen.

Bereits Anfang Februar hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) die geplante Pestizidrichtlinie beerdigt. Damit hätte der Einsatz chemischer Insekten- und Unkrautvernichtungsmittel bis 2030 halbiert werden sollen. Hätte, hätte, Fahrradkette – empörtes Landvolk hoch zu Traktor und eine emsige Agrarlobby höhlten die Unterstützung in den Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament immer mehr aus, und so befindet sich Europa nun in der peinlichen Situation, das 2022 beschlossene Weltnaturschutzabkommen von Montreal gebrochen zu haben. Es sieht nämlich, inspiriert just von den grünen EU-Plänen, eine Halbierung von Pestiziden bis 2030 vor.

Das europäische Lieferkettengesetz, eigentlich ein fertig verhandelter Kompromiss, musste am Mittwoch dieser Woche dran glauben – die FDP als regierungseigene Oppositionspartei hatte, nicht zum ersten Mal (Verbrenner-Pkw, siehe oben, Flottengrenzwerte für Lkw und Busse, Regulierung von künstlicher Intelligenz), in allerletzter Minute ihre Zustimmung verweigert und damit eine Enthaltung der Ampel erzwungen. Diese ist in Brüssel mittlerweile als „German Vote“ bekannt und hat Deutschland den Ruf eines unsicheren Kantonisten eingetragen.

Immerhin, am Dienstag dieser Woche stimmte das EU-Parlament wider Erwarten für das Renaturierungsgesetz, in deutlich entschärfter Form zwar, aber selbst das war der EVP und der Agrarlobby nicht genug. Bis zuletzt hatte es Versuche gegeben, das Regelwerk zu kippen. Bis Ende des Jahrzehnts soll nun ein Fünftel aller Land- und Wasserflächen in der EU renaturiert sein, bis 2050 gar 90 Prozent. Dies also eine Nachricht aus der Abteilung „gerade noch mal gutgegangen“.

Sieht so aus, als hätten Klima- und Umweltschutz derzeit keine Konjunktur. Und wenn die Europawahl (9. Juni, bitte vormerken) tatsächlich den befürchteten Schwenk in Richtung sehr konservativ bis rechtsextrem bringt, müssen wir uns warm anziehen. Apropos warm: Der Januar 2024 war weltweit der wärmste je gemessene, und der Februar könnte das noch toppen. Apriltemperaturen haben wir schon.

Die Gletscher schmelzen unbeirrt weiter, nicht nur in Grönland, und die Wissenschaft debattiert, wann wohl welche Kipppunkte erreicht werden (zum Beispiel im Amazonas oder im Atlantik), ob sich das noch aufhalten lässt oder ob wir bald die Zwei-Grad-Marke knacken. Der Erderhitzung ist es jedenfalls so was von wumpe, ob das Thema gerade unter „ferner liefen“ einsortiert wird, sie macht einfach weiter, und wir fachen sie fleißig an.

Aber! Wie wäre es denn zum Abschluss mit einer richtig guten Nachricht aus Europa? Am Dienstag gab das EU-Parlament grünes Licht für ein sogenanntes Anti-SLAPP-Gesetz. SLAPP steht für „Strategic Lawsuit against Public Participation“. Das sind Klagen, die nur einen Zweck haben: unliebsame kritische Geister, die zu Grund- und Menschenrechten, Missständen in Konzernen, dem Schutz der Demokratie oder dem Kampf gegen Korruption, Desinformation oder Umweltvergehen recherchieren, forschen oder sich engagieren, mundtot zu machen und einzuschüchtern.  

Damit einen guten Start in den März!

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Redakteurin Kerstin Eitner ersehnt eine Konjunkturbelebung bei Klima- und Naturschutz
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Kerstin Eitner
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